Ist da jemand? Licht und Schatten der Kynologie in Österreich 2023

Haustiermesse Wien Anfang März 2023, ein riesiges Publikumsereignis mit mehr als 15.000 Tierfreunden. Hier kann man Hundefreunde aller Ausrichtungen mit geeigneten Botschaften erreichen. Oder könnte, wenn man denn da gewesen wäre und die geeigneten Botschaften gehabt hätte. Immerhin, ein ad hoc angesetzter Vortrag "Das Aus für Mops & Co" zu den Folgen der geplanten Novelle zum Tierschutzgesetz – aber nein, nicht vom ÖKV, sondern von einer Katzenzüchterin. Warum versäumen wir eine um die andere Gelegenheit, aus Liebe zum Hund klar Position zu beziehen und die Dinge in die Hand zu nehmen?

Genug Licht?

Wo waren sie also alle – Züchter, Rasseclubs, Verband?

  • Die Zusammenarbeit der eng befreundeten Terrierklubs (Terrierklub, Westieclub, Yorkieklub) – hervorragend! So stelle ich mir das vor, gemeinsam zum Wohl des Hundes so viel Information wie möglich über unsere wunderbaren Rassen an die interessierten Menschen bringen.
  • Die Gesamtheit der Rasseklubs – welche "Gesamtheit"? ich habe die Kojen von Chihuahuas, Zwerghunden, Zwerggriffons–Löwchen–Havaneser, Britischen Hütehunden gesehen, somit waren 7 von 75 Clubs da (nicht einmal ein Zehntel), die 48 Rassen vertreten – ein Fünftel der gezüchteten Rassen: 2021 fielen in Österreich gut 1.400 Würfe mit fast 9.000 Welpen aus fast 230 Rassen.
  • Hunderassen bei der ÖKV-Rassenpräsentation? vielleicht 30, 35? "früher mal" konnte man bei dieser Gelegenheit ein großes Spektrum an – auch seltenen – Hunderassen sehen, das Publikum hatte also wirklich was davon.

Viel Schatten – die große Absurdität

Womit wir beim Schatten der aktuellen Situation sind: Die organisierte Kynologie hat diese Gelegenheit nicht genutzt, um ihre Zielgruppe – die Hundefreunde – zu informieren und ihre Anliegen zu transportieren.

  • Information über Zucht und Verantwortungsbewusstsein der FCI-Rassehundezüchter und Können der ÖKV-Trainer? – in der ÖKV-Koje kein hochrangiger Vertreter von Zucht‑, Ausstellungs- oder Leistungsreferat, sondern Personal aus dem ÖKV-Büro. Wir Rasseclubs reden uns in der Koje den Mund fusselig, wie ernst wir die Sache nehmen, wie sorgfältig und verantwortungsbewusst wir in der Zucht vorgehen, aber vom Verband kommt Null Unterstützung. Zugleich gibt es ständig irgendwo in der Halle Vorträge von Hundetrainern aller möglichen Qualifikationen, aber wo ist hier der ÖKV?
  • Information über die Hunderassen bei der ÖKV-Rassenpräsentation? – Ohje! zum Beispiel die Erklärung der Rasse "West Highland White Terrier" am Samstag "Ja, den muss man bissl zurecht machen" – ich sage beim Vorbeilaufen ein, dass er getrimmt wird; "und ein paar Kunststückerln kann er auch" – nächste Einflüsterung, dass meine Hündin über das soeben gezeigte Kunststückerl "Winken" hinaus die IBGH2 absolviert hat, der Westie als mehr drauf hat. Dann kommen halt noch brav diese Ergänzungen, aber hat das Publikum jetzt erfahren, was eine Rasse wie der Westie für den Menschen wirklich bedeuten kann? Gut, wir haben ja unsere Koje, aber die jämmerliche Erläuterung im Ehrenring klingt nach.
  • PR-Arbeit zur kommenden Novelle zum Tierschutzgesetz? – Ein nachträglich angesetzter Vortrag "Das Aus für Mops & Co" – nein, nicht vom ÖKV, sondern von der Präsidentin eines Katzenclubs vor einem Publikum von vielleicht 50 Leuten.

Zum Thema Tierschutzgesetz: eine behördlich kontrollierte Zucht?

Dass unsere Hunde durch ihr Wesen, ihre Ausstrahlung, Bewegung und Schönheit für sich selbst sprechen, wird nicht genügen, um den Gesetzeswahnsinn aufzuhalten, der da mit der neuen Novelle des Österreichischen Tierschutzgesetzes auf uns zukommt.

Vorweg: Natürlich bin ich dafür, Qualzucht endlich ganz zu verhindern, indem kein Hund mit Qualzuchtsymptomen in Zucht und Ausstellung erlaubt wird.

Wenn die Behörde die Zucht bewilligen muss, dann ist das auch nur eine Ausweitung dessen, was wir ohnehin schon praktizieren, nämlich unsere Zuchtstätte anzumelden.

Auch wenn die Behörde (für Rassen mit "Qualzuchtsymptomen") festlegt, welche Screenings ein Rassehund zu durchlaufen hat und mit welchem Hund überhaupt gezüchtet werden darf, macht uns das nicht wirklich Angst: Tierschutz ist unser Anliegen, und solche Prüfungen bestehen wir, wir haben seit Jahrzehnten unsere Zuchtordnungen, die mit Fachkenntnis und Erfahrung formuliert und weiterentwickelt werden und deren Einhaltung ehrenamtlich, freiwillig und mit Goodwill beachtet wird.

Hoffen wir halt, dass die Behörde sich für diese neue Aufgabe mit Fachwissen ausstattet und dass nicht letztlich jede Hunderasse mit irgendwelchen Qualzuchtsymptomen assoziiert und somit bewilligungspflichtig wird.

Und hoffentlich(!) trifft diese Neuerung neben den seriösen Züchtern (die man ja dank Verbandsstruktur leicht findet) dann auch jene, die bisher ohne Öffentlichkeit und ohne jede Kontrolle Welpen "produzieren", das wäre ja ein Lichtblick.

Ein Albtraum für jeden Hundefreund ist allerdings dies: In den Erläuterungen zur Novelle ist nur von Katzen die Rede, aber so wie ich den Gesetzesentwurf verstehe, kann die Behörde künftig auch bei Hunden die Kastration anordnen.  

Lieber Findlinge aus fragwürdiger Herkunft mit Verhaltensproblemen und Qualzuchtsymptomen statt gesunder und wesensfester Rassehunde?

Einige Neuregelungen wurden aber wohl vom Lobbying bestimmter Tierschutzorganisationen geleitet, die die Vermittlung der armen Kreaturen aus Tierschutzhäusern auf ihre Fahnen schreiben, auch wenn diese Hunde häufig neben der Deformation ihrer Seele unter zahlreichen Qualzuchtmerkmale leiden, denn Tierschutzorganisationen dürfen ja weiterhin auch Hunde mit Qualzuchtsymptomen abgeben.

Die polemische Frage kann ich mir jetzt nicht verkneifen: Welcher dieser Hunde wird wohl aus einer überlegten Verpaarung zweier veterinärmedizinisch untersuchten wesensfesten und glücklichen Hunde stammen? Wo bleiben hier die Maßnahmen zur Verhinderung von Qualzucht? Eine familiäre Aufzucht dieser bedauernswerten Hunde ist ja per se auszuschließen, mit den bekannten bösen Auswirkungen auf Seele, Verhalten und Gesundheit.

Unter dem in den Erläuterungen zur Novelle belegten Einfluss jener Tierschutzorganisationen, die für den Hundekauf ausschließlich Tierheime (statt Züchter) empfehlen, reduziert der Gesetzesentwurf die Möglichkeiten zur Aufzucht der Welpen im Familienumfeld durch den fachkundigen und erfahrenen Züchter auf höchstens 1 Wurf pro Jahr. Alles darüber ist dann künftig "wirtschaftliche Tätigkeit" mit den entsprechenden Vorschriften bezüglich Bewilligung, Personal, Ausstattung, Lage der Zuchtstätte usw., die ein Züchter aus Leidenschaft kaum jemals erfüllen kann. Ist es wirklich tierschutzgerechter, wenn die Welpen statt im Wohnbereich in einem verfliesten Nebenraum aufwachsen, damit man mit der anderen Hündin in diesem Jahr auch einen Wurf machen kann?

Die Hundepopulation soll also von der verantwortungsbewussten und gesetzeskonformen Zucht gesunder und wesensfester Hunde zur ständig nachflutenden Masse von Hunden verlagert werden, deren Produktion keine der Bestimmungen im österreichischen Tierschutzgesetz erfüllen würde.

Was kommt noch alles?

Was im Ausland passiert, ist nicht minder absurd, wird aber wohl bald auch nach Österreich herüberschwappen: etwa das Verbot des Ausstellens von langhaarigen Rassen in Teilen Deutschlands, weil die ja nicht aus den Augen sehen (schon mal was von Spangerln gehört?).

Und wo ist unser Dachverband?

Der ÖKV entsendet zum Publikumsereignis "Haustiermesse" 2 Sekretärinnen, die Rassenpräsentation macht am Samstag die Büroleiterin (am Sonntag immerhin eine frühere Zuchtreferentin).

Auf der ÖKV-Website finde ich keine Information zu den geplanten Änderungen des Tierschutzgesetzes, geschweige denn den Versuch, sich einzubringen und das Schlimmste für die FCI-Rassehundezucht in Österreich zu verhindern; die Information über die entsprechenden Aktivitäten kam nur per Mail an die Präsidenten der Rasseclubs. Schweigen im Medienwalde.

Aber der Dachverband ist ja derzeit mit sich selbst beschäftigt, er unterzieht sich einem "Strategieprozess", um den "Blick vorwärts" zu richten. Ich habe leider in meinem Berufsleben mehrmals erlebt, wie ein "Strategieprozess" zwar viele Probleme offenlegt und viele interessante Ansätze entstehen lässt, aber bis es so weit ist, vergeht in der Realität viel Zeit, und bis es dann auch nur ansatzweise Ergebnisse gibt, hat einen die Realität längst wieder überholt.

Der "Blick vorwärts" riecht mir wieder nach Scheuklappen. Derzeit wäre wohl eher eine gute Rundumsicht angebracht, um endlich die Realität zu erkennen und darauf zu reagieren.

Was jetzt?

Wir Unzufriedenen können entweder unsere Ungeduld und Enttäuschung darüber zum Ausdruck bringen, dass hier eine um die andere Gelegenheit versäumt wird, aus Liebe zum Hund endlich klar Position zu beziehen.

Oder wir können aufhören. Man wird uns keine Träne nachweinen, so unbequem wie wir sind.

Manch einer wird wohl aus dem Verband ausscheren und auf eigene Faust weitermachen. Ob das das Ziel ist?